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Ich habe Kaffee auf…..

So, nun habe ich langsam bis zehn gezählt und das in den vier Sprachen in denen ich bis zehn zählen kann.  Nun bin ich auch in der Lage meinen Unmut in Worte zu fassen.

In den letzten Wochen bin ich mit der Nase wieder auf ein Thema gestoßen worden, das bei uns in den letzten Jahren bedingt durch den Hausbau und den bisher nur rudimentär vorhandenen Garten geruht hat. Es geht, wie könnte es anders sein, um die absurde Saatgutpolitik der Europäischen Union und ihre Umsetzung in Deutschland. Was hat mich wieder mobilisiert? Nun, zum einen habe ich die Kolumne von Doris Dörrie [1] in der Augustausgabe von Essen und Trinken [2] zum Thema Linda [3] gelesen und festgestellt, manchmal hilft es möglichst renitent zu sein. Zum anderen lief in den letzten Wochen im WDR im Rahmen der Sendereihe die Story eine bereits 2016 vom NDR ausgestrahlte Sendung unter dem Namen „Verbotenes Gemüse“ [4] ich hoffe das bleibt noch ewig in der Mediathek. Hier auch ein Bericht des VEN [5]Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V. [6] zu der Doku.

Mein Mann hat sich in den letzten Jahren aus Zeitgründen aus der Anzucht von Nutzpflanzen eher herausgezogen und zumindest 2016 war in unserer Region kein wirklich gutes Gartenjahr. Dieses Jahr waren wir schon etwas besser, und haben bereits die ersten Chilies, Tomaten, Salate und Rote Bete geerntet. Außer bei den Tomaten und Chilis haben wir in den letzten Jahren nicht wirklich darauf geachtet wo das Saatgut herkam. Es wurden Reste aufgebraucht und mal schnell was dazu gekauft. Das hat sich gerächt, mein Blumenkohl ist dieses Jahr nicht existent und bei einer Sorte Balkontomaten wurde es erst etwas mit der zweiten Tüte, die erste hatte eine Keimquote von exakt Null. Erst für die Herbst- und Winterernte habe ich wieder seltenere Sorten gekauft und diese angesät. Wenn es gerade nicht regnen würde, würde ich den Kohl ja sogar auspflanzen und noch mal einen Schwung Koriander, Rote Bete und Salat sowie Wintersalate aussäen. Kartoffeln haben wir auch weitestgehend in unserer Region ungewöhnliche Sorten angebaut, denn alles andere kann ich auch im kaufen…

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Eine Schüssel „Schwarzer Prinz“

Warum ich das mache so seltsame Gemüsesorten anbauen, die Eigenschaften haben die echt doof sind, wie eine stachlige Schale bei Gurken, eine schleimige bei Zucchini oder Tomaten die zum Grünkragen neigen? Weil sie, genau wie Beethovens Fünfte oder der Aachener Dom, zu unserem Kulturerbe gehören. Wir schmeißen die Gutenberg-Bibel ja auch nicht ins Altpapier nur weil es jetzt den Bibelserver gibt. Sie sind wichtig und unser Kulturerbe, versteht mich nicht falsch, ich lehne an den Klimawandel angepasste Neuzüchtungen sicher nicht ab und verkläre auch nicht „die gute alte Zeit“, aber dazu brauchen wir die klassischen Sorten, denn sie waren in den vergangenen Jahrhunderten an ihren Standort angepasst, sie konnten mit dem lokalen Klima zurecht kommen. Ich muss hier am oberen Rand des Dorfes andere Faktoren berücksichtigen als jemand unten im „Tal“ und das sind keine 50 Höhenmeter (das Stichwort lautet windoffene Lage).  Daher kann ich es mir nicht vorstellen, daß jemand in Schottland die gleichen Sorten anbauen kann und damit auch noch ausreichenden Ertrag hat wie jemand auf Malta, aber das hätte die Saatgutindustrie und die EU-Saatgutnorm wohl ganz  gerne so. Die ersten Folgen einer solchen völlig auf den Bedarf des Handels (einfache Verpackung) der Saatgutindustrie (Patent und Einamhmequelle) und des Amtsschimmels ausgerichteten Sortenzulassung erleben wir bereits. Die Cavendish Banane [8] und ihre spezifischen Probleme sind nur ein Aspekt davon. Die Problematik von Weizen oder Äpfeln werden oft verdrängt. Auch sind die Ansprüche die ich im Hausgarten an meine Pflanzen habe ganz andere, ich brauche nicht heute 50 reife Tomaten  und die nächsten 14 Tage gar keine, nein ich brauchte die Tomaten über die Tage verteilt, ich muss nicht auf die Minute liefern, ich darf auch ein paar Stunden später ernten. Die Tomate muss vor allem besondcers gut schmecken und nicht besonders gut für die maschinelle Ernte geeignet sein.

Das wesentliche Kriterium für den Anbau klassischer Sorten – ich mag den Begriff „alte Sorten“ nicht, denn es klingt so nach muffigem Keller, ich mag das Englische Heirloom (Erbstück) lieber – ist der Geschmack. Ja Geschmack, ich weiß der Begriff kommt bei der Zulassung neuer Sorten gar nicht mehr zum tragen, Geschmack spielt in Deutschland bei der Qualitätseinstufung von Gemüse keine Rolle. Hauptsache das Gemüse hat die richtige Form, Farbe, Größe und lässt sich gut verpacken. Es gibt so viele gut schmeckende Tomaten, doch hier bekommt man in den Supermärkten fast nur „schön“ rote, runde am Strauch hängende Exemplare. Diese duften zwar herrlich und suggerieren dem Käufer den Eindruck einer besonders geschmackvollen Tomate. Das Laub und der Stiel riechen in der Tat aber die Tomaten selber sind geruchlos. In diesem Fall ist Geruch oder Duft ein irreführendes Kriterium. Viele Tomaten sind außerdem geschmacksarm. Nehme ich dagegen Tomaten aus dem eigenen Garten oder von einem lokalen Gemüsebetrieb, dann haben diese Tomaten Geschmack. Das liegt gerade bei den Tomaten aus dem eigenen Garten nicht nur daran, dass sie nicht mit dem Kühllaster durch halb Europa gekarrt wurden sondern frisch und vollreif vom Beet auf den Teller kommenm sondern auch daran das man die Sorte selbst bestimmen kann. Was nicht schmeckt gibt es halt nächstes Jahr nicht wieder. Einige Sorten kommen auch mit dem Standort nicht klar, so gibt es im Jahr darauf diese Sorte eben nicht sondern die vom Nachbarn die sich als besser geeignet erwiesen  hat.

Wir haben dieses Jahr die Erbse Blauwschokker [9] angebaut, leider schmeckt sie uns überhaupt nicht, aber das bedeutet nicht das diese Sorte verschwinden muss nur weil sie unseren Geschmack nicht trifft, vielleicht brauchen wir sie irgend wann noch mal weil sie gegen irgend einen Pilz oder Schädling nicht anfällig ist. Vielleicht war’s aber auch einfach kein Erbsenjahr oder wir haben sie dieses Mal zu spät angepflanzt. Dafür spricht auch, dass die gleichzeitig  angepflanzte Sorte Kelvedon Wonder sehr mickrig blieb. Die wenigen ausgebildeten Früchte waren zwar zunächst sehr schmackhaft, aber aber sie schmeckten nach kurzer Zeit einfach nur noch bitter.

In diesem Sinne: Rettet die klassischen Sorten, esst sie einfach auf! (gilt auch für Nutztierrassen)

Literatur (das klassische aus Papier):

Saatgutvereine und Vermehrer