Die Entschleunigung des Alltags
Oder: 4 Monate leben ohne Auto – ein nicht ganz freiwilliger Selbstversuch
Anfang November 2010 hatten der Weihnachtsmann und ich einen schweren Unfall auf der Autobahn A2 Höhe Raststätte Auetal. Ich mag die A2 ohnehin nicht und dieser Abschnitt gehört nicht zu meinen Lieblingsstrecken. Trotzdem müssen wir ihn auf dem Weg nach Berlin immer wieder nehmen. Klar wir können auch mit der Bahn fahren aber habt ihr schon einmal versucht eine Halbjahres-Vorrat Berliner Fassbrause in der ersten Klasse zu transportieren (in der 2. Klasse hat man ja noch nicht mal platz für Koffer)? Wir selber haben den Unfall relativ unbeschadet überstanden, doch unser Auto, ein Toyota Aygo, von Freunden liebevoll Elefantenrollschuh genannt, erlitt einen Totalschaden.
Und da standen wir nun, auf dem Land ohne Auto. Schaut man sich objektiv die theoretischen Verbindungen mit Bus und Bahn an, so stellt man fest man kommt überall hin. Die Frage ist nur in welcher Zeit. Problemlos ist die Anbindung nach Bad Aachen (die Stadt Karls des Großen). Hier fährt einmal pro Stunde ein Bus, ja liebe Berliner ihr habt richtig gelesen einmal pro Stunde. Köln sieht da schon etwas schlechter aus, Jülich hat keinen direkten Anschluß an die DB, sondern ist über die Rurtalbahn mit Düren verbunden, dort erfolgt der Umstieg auf die DB und ihr ahnt es schon die Rurtalbahn fährt außer im Berufsverkehr einmal pro Stunde (im Berufsverkehr fährt sie alle halbe Stunde hat dann aber oft Ähnlichkeiten mit einer Sardinenbüchse), der letzte Zug fährt um 22:18 – auch am Wochenende. Nach Düsseldorf oder gar nach Mönchengladbach kommt man nur über Köln oder Aachen, denn denn die Alternative über Linnich und Baal ist dank der passenden Anschlüsse nur mit einer Thermoskanne Kaffee und Bütterken machbar.
Da wir aber wieder in die Zivilisation wollen, mussten wir uns was ausdenken, denn…
- die ganze Zeit ohne Gottesdienst,
- ohne NABU-Treffen (leider auch mit ÖPNV nicht zu erreichen, aber da funktionieren die Fahrgemeinschaften weitestgehend),
- Besuche bei Freunden nur sehr zeit- und finanzaufwändig möglich,
- keine Einkäufe im Baumarkt/Gartencenter…
ist hart, sehr hart. Wir haben in dieser Zeit gelernt, daß man auch mit dem Rad im Schnee zur Arbeit fahren kann, daß man sich Blumenerde (torffrei) liefern lassen kann, daß es Mitfahrgelegenheiten zu den unmöglichsten Zeiten und Tagen gibt. Wir haben festgestellt, daß unsere Freunde uns auch besuchen kommen und daß man mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hiddensee zwei Tage braucht und das man schneller in Frankfurt/Main (ca. 250 km) ist als in Mönchengladbach (ca. 40 km). Wir haben dank Sixt, Europcar und Freunden festgestellt, welche Autos wir nicht kaufen. Sei es wegen Spritfressens oder eingeschränktem Sichtfeld (Warum hat der neue Astra noch Fenster? Man sieht doch eh nichts).
Unser Fazit dieses unfreiwilligen Selbstversuches ist das folgende: Ohne Auto leben geht besser als gedacht, aber: Dieses Leben ist mit mit starken Einschränkungen und Zugeständnissen verbunden und es geht nur dann, wenn die Bahn nicht streikt. Unser Verhältnis zum Auto und zur Mobilität haben wir überdacht. Der Weihnachtsmann wird weiter Fahrradfahren und wir werden für die NABU-Treffen weiterhin Fahrgemeinschaften bilden. Aber wir werden wieder mobiler sein.
Der Selbstversuch endet am kommenden Samstag. Denn dann werden wir unseren Gebrauchtwagen abholen, der fällt dann schon eher unter die Kategorie Auto und bietet doch etwas mehr Raum als sein Vorgänger. Ja, wir können dann auch Gartengeräte und Freunde mitnehmen nicht nur das eine oder das andere. Es ist ein Opel Meriva Cosmo 1.7 CDTI (Bj. 2004) geworden.
6 Gedanken zu „Die Entschleunigung des Alltags“
Ja die Vorstellung ohne Auto leben zu können hat etwas romantisches, aber wenn es dann wirklich soweit kommt, möchte man doch nicht mehr ohne sein.
Vielleicht gibt es in Zukunft ja alternative Mobilitätskonzepte.
Was mir ziemlich gut gefällt sind die sogenannten Pedelecs. Das sind Fahrräder (oder auch Velomobile) mit Elektrohilfsmotor. Dabei wird die eigene Muskelkraft vom Motor verstärkt. Ist also nicht so wie beim Mofa, wo man gar nicht mehr tritt.
Der Vorteil der Pedelecs ist, dass man weitere Strecken als ohne Motorhilfe schafft und auch mit Hilfe eines Anhängers prima seinen Einkauf nach Hause bekommt ohne ins Schwitzen zu geraten.
Danke für den interessanten Kommentar, aber den Werbelink habe ich vorher entfernt – für was in diesem Blog geworben wird, möchte ich noch selber entscheiden können.
Oh Schreck. Euch ist mein größter Albtraum passiert. Ich fahre diese Strecke auch regelmäßig wenn ich zu meinen Eltern fahre, ich hasse die A2. Ich muss sie zwar nur als Teilstück von 80km nehmen, aber eben genau am Auetal raste ich immer O.O und diese wenigen 80km von gesammten 400km ist die schlimmste Strecke für mich.
Besonders nachvollziehen kann ich den Verlust, denn ich wohne auch auf dem Land, der nächste Supermarkt ist 5 km entfernt und die Arbeit 50 km. Einmal stündlich fährt eine Bahn, die Fahrt dauert eine Stunde und dann muss nochmal umgestiegen werden. Ich bräuchte gesamt 3 Stunden zur Arbeit wenn alles klappt. Genießt eure neue Freiheit mit dem neuen Auto!
Also ich erledige sehr viel zu Fuß, eigentlich alles was geht, aber dennoch bin ich sehr froh, dass wir ein Auto besitzen. Denn ohne wäre so einiges nicht möglich …
Überhaupt sind die Verbindungen der Öffis in der Steiermark auch oftmals nicht besonders gut, gerade, wenn das Ziel außerhalb von Graz liegt.
lg kathrin
OK- genug Autofasten aber vielleicht habt ihr ja Lust euer Auto demnächst auch zu verleihen 😉 http://www.nachbarschaftsauto.de/
Wer zahlt dann die Mehrkosten für die Versicherung? Sorry, aber die Preisunterschiede zwischen nur „Versicherungsnehmer & Partner“ und „Versicherungsnehmer und andere Personen“ beträgt bei uns mehrere hundert Euro/a. Vielleicht ist die Frage auf der Seite ja schon beantwortet, nur ist sie wegen Überlastung nicht erreichbar…