Die großen Saatgutfirmen und Hybride

Die großen Saatgutfirmen und Hybride

In einem Kommentar zu „Woher kommt ein Saatgut?“ stellte London Rain diese Fragen:

Mal so für einen unbedarften Laien: Was ist denn schlimm daran Samen eines großen Herstellers zu verwenden? Und was sind samenfeste Hybride und was ist der Vorteil daran?

Als ich anfing mit einem Kommentar darauf zu antworten merkte ich schnell, daß das gut einen eigenen Blogbeitrag wert ist. Dieser hier.

Es geht nicht prinzipiell um „große“ Hersteller. Aber zunächst zur zweiten Frage, die Antwort auf die erste folgt daraus.

Samenfeste Hybride gibt es nicht. Samenfest heißt, daß Saatgut, das aus den Pflanzen gewonnen wurde sich nur im Rahmen der normalen evolutionären Entwicklung verändert. Durch Auslese/Erhaltungszucht kann man die gewünschten Eigenschaften erhalten und weiterentwickeln. Dazu gehören beispielsweise:  Geschmack, Größe, Form, Farbe, Reifezeit, Resistenzen, Eignung für den Boden, die Klimazone usw.

Eine Hybride (von lat. hybrida, (h)ibrida, […] ist in der Biologie ein Individuum, das aus einer Kreuzung zwischen Eltern verschiedener Arten oder Unterarten hervorgegangen ist. Teilweise, insbesondere in der Zucht, wird der Begriff auch für Nachkommen von Kreuzungen verschiedener Zuchtlinien oder Rassen verwendet. Wikipedia

Die Hybridisierung ist nicht definitionsgemäß „schlecht“ sondern ein ganz normaler evolutionärer Prozess durch den überhaupt erst die große Artenvielfalt entstanden ist und sicher auch weiterhin ganz natürlich neue Arten ausbilden. Es sind Pflanzen, die sich wenn überhaupt vegetativ (z.B. Stecklinge, Wurzelteilung) vermehren lassen. Dazu zählen übrigens auch die meisten Kern- und Steinobstkultursorten und Kartoffeln, die sehr leicht hybridisieren und daher im Freiland praktisch keine samenfesten Sorten ausbilden. Äpfel und Birnen sind sogar auf die Bestäubung mit dem Pollen einer anderen Sorte zwingend angewiesen, da sie in aller Regel selbststeril sind.

Unter Hybriden in der Pflanzenzucht sind aber etwas anders zu verstehen. Es werden gezielt verschiedene Sorten einer Art oder zweier mit einander verwandter Arten miteinander gekreuzt. Mutter Sorte A mit Vater Sorte B um bestimmte Eigenschaften zu erzielen. Das aus dieser Kreuzung entstehende Saatgut bringt dann Pflanzen (oder auch Tiere, z.B. Maulesel und Maultier) hervor, die dann beispielsweise einen tollen Geschmack und eine sehr gute Resistenz gegen eine bestimmte Krankheit haben. Dies ist nicht zwingend schlecht und negativ und ist sicher auch ein probates Mittel um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen, das von Gärtnern schon seit Jahrhunderten eingesetzt wird.

Dies ist die F1-Generation (Filialgeneration 1). Sehr oft sind diese Pflanzen steril und bilden gar kein keimfähiges Saatgut aus. Wenn sie nicht steril sind, sind deren Nachkommen die F2-Generation, die keinerlei Gemeinsamkeiten mehr mit der F1-Generation hat und sich gemäß der mendelschen Regeln wieder aufspaltet. Dieses Saatgut kann nicht verwendet werden um erneut das Feld zu bestellen, es würde sich ein wilder Sortenmix ergeben von dem wahrscheinlich der größte Teil wirtschaftlich nicht nutzbar wäre. Hybridsaatgut muss immer wieder neu aufwendig gewonnen werden. Hybridsaatgut ist daher oft wesentlich teurer als sortenreines samenfestes Saatgut und muss vom Saatguthersteller erworben werden – was auch auf andere geschützte Sorten zutrifft und in gewissem Rahmen auch verständlich ist, denn Pflanzenzüchtung ist teuer und zeitaufwendig.

Vielfalt statt Einfalt!

Womit wir bei der sozialen Komponente angelangt sind. Die Hybridzucht wird oft für Protektonismus missbraucht, dieses Saatgut kann man nicht selber gewinnen, dazu müsste man die Elternpflanzen kennen. Das Saatgut der F1-Generation wird entweder gar nicht gebildet, ist steril oder unbrauchbar. Es gibt nur noch wenige auf Leistung getrimmte, häufig krankheitsanfällige Nutzpflanzen, die nicht auf einen bestimmten Standort passen. Früher gab es auf den Höfen beispielsweise oft sogenannte Hofsorten, die durch einen langen Ausleseprozess perfekt an den Standort des Hofes angepasst waren. Heute werden von immer weniger Anbietern immer weniger Sorten angeboten. Es findet eine regelrechte kulturelle Verarmung statt. Saatgut ist Kulturgut. Eine Erhaltung der Nutzpflanzen-Vielfalt ist ein wichtiger Beitrag zu Erhaltung von kultureller Vielfalt.

Erhaltungszucht

Nicht nur die Neuzüchtung ist aufwendig, sondern auch die Erhaltungszucht. Hierzu baut man von einer Sorte möglichst viele Pflanzen an und beobachtet sie, überprüft sie auf die dieser Sorte zugedachten Eigenschaften und wählt so frühzeitig wie möglich die Pflanzen aus, die die Eigenschaften besonders ausgeprägt zeigen und lässt dies Pflanzen dann ausreifen – Samenreife hat oft nichts mit der Genussreife zu tun (zweijährige Pflanzen wie z.B. Möhren und Petersilie z.B. bilden erst im zweiten und letzten Lebensjahr Jahr ihre Samen aus). Die Erhaltungszucht kann jedoch noch mit viel Engagement von idealistischen Kleingärtnern und (Klein)bauern geleistet werden. Dies kann man beispielsweise unterstützen, indem man das Saatgut nutzt und es selber vermehrt. Es war „früher“ auch ganz normal, daß Saatgut über den Gartenzaun getauscht wurde. Hierzu sei auf das Buch Handbuch Samengärtnerei: Sorten erhalten, Vielfalt vermehren, Gemüse genießen von Andrea Heistinger verwiesen.

Saatgutpolitik

Ein weiteres Problem ist die Saatgutpolitik. Damit eine Nutzpflanze in der EU kommerziell angebaut werden darf, ist eine Sortenzulassung erforderlich. Das klingt erst einmal sehr positiv und wird gerne auch so unter dem Deckmäntelchen des Verbraucherschutzes verkauft. Wenn nun eine Sorte keine Zulassung mehr hat, weil z.B. der Großkonzern sie nicht mehr nutzen möchte und die Zulassung löschen lässt, darf die Pflanze nicht mehr angebaut werden. Ein Zulassungsverfahren für eine Sorte ist ein massiver Papierkrieg und mit einem hohen Kostenaufwand verbunden, den letztlich nur finanzstarke Unternehmen leisten können – aber mittlerweile gibt es glücklicherweise auch einige Ausnahmen.

Du merkst schon, London Rain, diese zwei harmlosen Fragen ziehen einen ewig langen Rattenschwanz nach sich und ich bin nicht in der Lage diese erschöpfend in einem Blogartikel zu beantworten, ich hoffe aber einen kleinen Einblick in die Motivation hinter unserem Handeln geben zu können. Wir sind nicht gegen etwas, sondern ganz klar für etwas, für mehr Vielfalt!

Für uns ist es letztlich eine Grundüberzeugung, dies sich auch auf drei Buchstaben reduzieren lassen könnte: CSR – Corporate Social Responsibility, für viel der Großen offensichtlich ein Fremdwort.

Wenn du in diese Thematik stärker einsteigen möchtest kann ich an dieser Stelle die folgenden Dokumentarfilme zu der Thematik empfehlen

Zum Weiterlesen


11 Gedanken zu „Die großen Saatgutfirmen und Hybride

  1. Für solche Belange gibt’s in der Schweiz die Stiftung Pro Specie Rara. http://www.prospecierara.ch/de/home
    Ich bin Fan geworden, es gibt so viele tolle alte Sorten, alleine 140 Tomatenarten haben die. Und die Dinger schmecken auch wirklich besser. Man muss es einfach mal probieren.

    Und für unsere Kleine ist es ausserdem schön, dass die Tomaten (und alles andere) soretenecht sind: Wir können die Samen aus den Früchten rauspulen, trocknen… nächstes Jahr wieder einpflanzen, und tadaaaa, Zauberei: Es wächst wieder die gleiche Pflanze aus dem Samen. 🙂

    Viele Grüsse! 🙂
    Sybille

    1. Hallo Sybille,
      danke für deinen Kommentar! Pro Species Rara habe ist übrigens auch bereits ganz am Ende des Artikels verlinkt zusammen mit einigen anderen Saatgutbewahrern. Vielleicht ist da ja auch für dich etwas Neues dabei?
      LG, Jan

  2. Nein, euer Beitrag ist informativ und sachlich – im Gegensatz zu dem, was ich in letzter Zeit woanders gelesen habe! Ich wollte da nichts unterstellen. Und ich will umgekehrt auch nicht der pauschale Verfechter von Hybridsaatgut sein oder überhaupt von Samenkauf, denn die eigene Samengewinnung und Aussaat oder sogar Pflanzenzucht sind wunderbare Gärtnererlebnisse!

    1. Ja, was da so in div. anderen Quellen steht ärgert mich auch maßlos. Aber da kann ich nur Einstein zitieren: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

  3. Bezüglich Protektorismus: Ja, die Missbrauchsmöglichkeit ist theoretisch da, wenn es keine samenfesten Sorten mehr zu kaufen gäbe. Wichtig ist, dass der Käufer weiß, dass er die Hybridsorte nicht selbst erhalten kann, sondern sie im nächsten Jahr neu kaufen muss, wenn er die gleichen Eigenschaften will. Aber das weiß der deutsche Gärtner, wenn er das F1 hinter der Sortenbezeichnung sieht.

    Die Gärtner, die ich im Laufe meines Berufslebens kennengelernt habe, haben fast alle jedes Jahr neuen Samen gekauft. Und sie haben dabei Sorten gewählt, mit denen sie gute Erfahrungen bezüglich Ertrag und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten hatten. Und das waren oft Hybridsorten. Wenn die Erfahrung gut war, hat man es im nächsten Jahr wieder gekauft, wenn nicht, dann eben eine andere Sorte ausprobiert. Eigenes Saatgut wurde nur von einigen für ein paar Spezialitäten herangezogen – z. B. den Münchner Bierrettich, da haben wohl viele Münchner Gärtner ihre eigene Auslese, auf die sie schwören. Es gibt Gründe keine oder nicht nur Hybridsorten zu verwenden, aber Protektorismus finde ich gehört in unseren Breiten nicht dazu.

    1. Och da gäbe es genug Beispiele wie Saatgutfirmen die Hybridzucht für protektionistische Zwecke nutzen. Aber mal ganz davon abgesehen finde ich in unserem Blogbeitrag auch keinerlei pauschale Ablehnung von Hybridsaatgut, aber es ist nicht alles Gold was glänzt!

  4. Oh, mein eigener Blogartikel! 🙂 Vielen Dank! Da musste ich mal wieder an meinen Bio-LK denken – von wegen Herrn Mendel und seinen Erbsen.

    Ich hab zwar weder einen Garten noch hätte ich gerne einen, aber ich lese hier super gerne mit. (Ist wie beim Sport: Gucken ist gut, selber machen nicht. ;-))

    Viele Grüße!
    Tim

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