Neue Hopfensorten, oder: der Untergang des Abendlandes?
Insbesondere durch die bayerische Presse geistern derzeit Berichte über neue Aroma-Hopfensorten. Die meisten davon berichten verhältnismäßig neutral wie beispielsweise bei nordbayern.de. Eigentlich verwunderlich, daß dies eine Pressemeldung wert ist, schließlich werden am Hopfenforschungszentrum in Hüll jedes Jahr eine große Vielzahl an Neuzüchtungen untersucht und erzeugt. Den meisten Biertrinkern scheint kaum bekannt zu sein, daß Hopfen für mehr als nur den bitteren Geschmack im Bier verantwortlich ist. Je nach Sorte trägt dieser auch maßgeblich zur Geschmacksbildung des Bieres bei. Ein böhmisches Pils ohne die schon sehr alte Hopfensorte „Saazer“ wäre, wie die Pilslegende „Pilsner Urquell“, undenkbar. Die Sorte Saazer wird beispielsweise beschrieben mit fein erdigem Hopfengeschmack, kräuterig, blumig. Aber die Vielfalt im Anbau in Deutschland ist kaum vorhanden. Gerade mal drei Aromasorten überschreiten die 1000 ha Anbaufläche und decken zusammen 80 % der Anbaufläche für Aromahopfen ab. Noch extremer ist dies bei den Bittersorten, dort decken 3 Sorten mehr als 90% der Anbaufläche ab (vgl. Barth-Report Hopfen 2010/2011). Kein Wunder, daß die Massenindustriebiere in Deutschland inzwischen überall gleich schmecken. Kennt man eines, kennt man alle. Ja, das ist eine Überspitzung, aber mich langweilt diese in Großproduktion industriell hergestellte Plörre nur noch – aber der „Verbraucher“ scheint es ja auch nicht anders zu wollen, wenn er bereit ist für ein sogenanntes Mineralwasser mehr Geld auszugeben als für ein handwerklich hergestelltes Bier. Der Geschmack und die Aromen von Bieren werden genauso wie letztlich auch die Aromen von Weinen beschrieben. Nur weil ein Weinsommlier sagt, daß der Wein erdig mit Aromen von Pfirsich und Brombeere schmeckt geht kein Mensch davon aus, daß er hier einen Brombeer- oder Pfirsichsaft vor der Nase hat, sondern irgendeinen vermutlich hoffnungslos überteuerten Rotwein.
Ja und was ist nun mit dem Untergang des Abendlandes? Das fragt am besten Herrn Neumaier von der Mittelbayerischen Zeitung. In seinem vor Ignoranz und offensichtlich vollkommener Ahnungslosigkeit strotzenden polemischen Artikel muss man den Eindruck bekommen nur weil jetzt auch in Deutschland endlich weitere innovative Sorten, neben beispielsweise „Saphir“ und „Opal“, auf den Markt kommen könnten muss nun der der Untergang unser Bierkultur drohen. Wie lächerlich! Vor allem was hat die Wahl der Hopfensorte mit dem sogenannten Reinheitsgebot zu tun? Da steht nirgendwo „Aromasorten dürfen nicht verwendet werden“, sondern da stand nur soviel, daß nur Hopfen, Malz und Wasser zur Bierherstellung verwendet werden dürfen – nunja… Das Reinheitsgebot, ist doch schon lange nicht mehr als eine hehre Botschaft, die jede Marketingabteilung eines in Deutschland hergestellten Massenbieres auf’s Etikett kritzelt. Sehr empfehlenswert für den interessierten Leser ist der Artikel „Reinheitsgebot: Mythos und Wahrheit„. Ich kann nur jedem Skeptiker mal empfehlen Biere mit „ungewöhnlichen“ Hopfensorten zu trinken. Beispielsweise von Schneider Weiße (eine bayerische Brauerei) „Meine Hopfenweiße„, das ist ein Hefeweizen-Starkbier, das mit Saphir (blumig, fruchtig mit feinem Zitrusaroma) gehopft wurde. Erhältlich beispielsweise beim Bierzwerg – derzeit leider mal wieder ausverkauft. Auch sehr empfehlenswert solch innovativen Biere wie sie von der Brauerei „Häffner“ aus Bad Rappenau angeboten werden – auch erhältlich beim Bierzwerg. Mangels deutscher Aromasorten greifen sie auf amerikanische, englische oder neuseeländische Sorten zurück. Und noch ein empfehlenswertes deutsches Craftbeer ist „Crew Pale Ale„. Ich fürchte wesentlich mehr gibt es auch gar nicht.
Nein, durch eine größere Vielfalt von spannenden Aromahopfensorten ergibt sich sicher keine Bedrohung unserer Bierkultur, sondern allenfalls eine Bereicherung. Einen kleinen Ausschnitt der Vielfalt sieht man bei dem Anbieter „Hopfen der Welt„. Wer will kann auch künftig seine massenindustriell hergestellte überall gleich schmeckende Plörre trinken. Aber genau dieses billige (im Wortsinne von „minderwertig“) hergestellte Bier hat mich dazu getrieben selber zu brauen. Aber ein größeres Angebot auch an deutschen Aromasorten kann vielleicht endlich dazu beitragen daß der Begriff des „Craftbeers“ eine deutsche Entsprechung erhält und diese Biere auch in jedem deutschen Getränkemarkt stehen, neben Waröttburger oder wie sie auch immer heißen mögen. In den USA übrigens gibt es 1759 Brauereien – 1716 davon sind Craftbreweries!
Es ist übrigens bemerkenswert, wie die Brauer der Großbrauereien sich regelrecht darum reißen Biere von Hobbybrauern probieren zu dürfen, ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Allzeit gut Sud und prost!
Zum Weiterlesen
- Der Aromahopfen: Antwort auf Mittelbayerische Zeitung “Bier ist nicht gleich Bier” bei lieblingsbier.de
- Beerenbier nach dem Reinheitsgebot – Donaukurier
Ein Gedanke zu „Neue Hopfensorten, oder: der Untergang des Abendlandes?“
Was ich auch noch merkwürdig finde ist die Gedankenkette „Bier-Deutschland-Kultur“. Und was war eigentlich als erstes da? Das Bier? Armes Deutschland 🙁