Mein Erlebnis beim Stoffkauf
Ich blogge hier nur sehr selten über meine Erlebnisse mit der Handarbeit, das sind insbesondere Nähen und Stricken, aber über das was ich am vergangenen Donnerstagvormittag in einem Stoffladen in Jülich erlebte kann ich nur den Kopf schütteln.
Zusammen mit meiner im Rollstuhl sitzenden Nachbarin und ihrer Mitarbeiterin machte ich die benachbarte Kleinstadt unsicher. Wir alle wollten mal wieder andere Läden sehen als die üblichen Discounter. So ein Abstecher in die „Zivilisation“ oder was sich dafür hält tut auch mal gut. Auf unsere Liste stand ein Besuch auf dem Wochenmarkt. Das sich 5 Stände so nennen dürfen wundert mich immer noch. Desweiteren wollten wir noch in den Bioladen, Drogeriemarkt und einen Stoffladen.
Der Stoffladen. Der einzige Vorteil an diesem Laden ist, daß der Eingang ebenerdig ist und die Türe breit genug ist um einen Rollstuhl hinein zu schieben. Weiter als bis hinter die Türe kommt man allerdings nicht. Dann versperren Tische mit Ware den Weg der gerade breit genug ist um sich als einzelne Person hindurch zu zwängen. Schon mit mehr als einer Einkaufstasche oder einem Rucksack auf dem Rücken hat man Probleme. Das Hauptproblem ist das die Tische schräg stehen um möglichst viel Ware unter zu bringen. Den Satz, daß weniger mehr ist kennt dort anscheinend keiner. Meine Nachbarin wollte sich die Karnevalsstoffe ansehen. Leider waren sie am anderen Ende des Raumes untergebracht…
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich zwei Angestellte im Laden und wir waren die einzigen Kunden. Die eine Mitarbeiterin telefonierte. Aus dem Gespräch (ihre Seite konnten wir mithören) ging leider nicht hervor ob es privat oder geschäftlich war. Was wir aber sehr wohl dem Gespräch entnehmen konnten, war, daß sie es weidlich ausdehnte und sich mehrfach in ihren Worten im Kreis drehte. So, als ob sie keine Lust hatte sich mit Kunden auseinander zu setzen und zu helfen? Wir werden es nie erfahren. Die andere Mitarbeiterin rannte ständig zwischen den Hinterräumen und dem Laden hin und her und interessierte sich auch nicht wirklich für ihre Kunden. Es gibt Waren, wie Stoffe, bei denen man als Kunde zunächst weitgehend selber schauen möchte und vor allem das Produkt anfassen möchte. Doch dann sollte es freie Wege geben auf denen man sich auch mit einem Rolli, Kinderwagen oder Rollator bewegen kann.
Wenn dieses nicht möglich ist, dann sollte das Personal in der Lage sein dem Kunden zu helfen und wie in alten Zeiten die Ware zu präsentieren. Uns hätte ja zunächst schon die Frage ob uns geholfen werden kann gereicht…
Wir haben dann Stoffe durch den Laden getragen, und trafen Entscheidungen, der nächste Fehler. Ich war am schnellsten: 50 cm Stoff und eine Garnrolle, das bekamen die Angestellten, die sich jetzt beide ohne Telefon hinter der Theke und der Kasse versammelt hatten, gerade noch hin. Doch dann wurde es schwierig. Meine Nachbarin wollte 4 Meter Tüll in Neonpink und 4 Meter Tüll in Neongrün haben. Da sie ja nicht bis zur Kasse kam habe ich die Wünsche übermittelt. Denn mit ihr zu reden war den Mitarbeiterinnen allem Anschein nach nicht möglich. Sich die Angabe 4 Meter vom Beginn des Abmessens bis zum Abschneiden zu merken ist schon eine intellektuelle Herausforderung insbesondere dann, wenn man sich nebenher miteinander unterhält und nicht mit dem Kunden.
Am Ende schafften es eine Mitarbeiterin sogar sich mit meiner Nachbarin zu unterhalten. Auf die Anregung die Tische doch so zu stellen, daß man als Rollstuhlfahrer wenigstens bis zur Kasse gelangt wurde nur pampig reagiert. Das wäre schließlich seit Jahren so und man hätte sich dabei sicher damals was gedacht. Ich fühlte mich leicht an das rheinische Grundgesetz erinnert.
Rheinisches Grundgesetz
Art. 1: Das haben wir schon immer so gemacht.
Art. 2: Das haben wir noch nie so gemacht.
Art 3: Et kütt wie et kütt.
Daran, daß man Dinge immer wieder in Frage stellen kann und sich selbst und den Laden weiter entwickeln kann wurde nicht gedacht.
Als wir den Laden dann verlassen haben war unser einziger Kommentar zum Geschehen: „Wenn wir in unseren vergangenen Jobs mit Kundenkontakt uns so verhalten hätten, wären wir nicht bis zum Ende der Probezeit gekommen.“ Die anderen Filialen des Händlers in der Umgebung haben auch keinen besseren Ruf was die Freundlichkeit und die Höflichkeit des Personals angeht. Diese Filiale war, bis die letzte fähige Mitarbeiterin im Laufe des vergangenen Jahres das Unternehmen verlassen hat, eigentlich noch die brauchbarste.
Schade, ein Stoffladen der mich so schnell nicht mehr wieder sehen wird. Vielleicht noch mal für einen vergessenen Reißverschluss oder Nadeln aber garantiert nicht mehr für schöne Stoffe. Wenn ich jetzt noch Klagen höre, daß die „bösen Kunden“ ja alle im Versandhandel einkaufen, dann wundert mich das in diesem Zusammenhang nicht weiter. Ich werde in Zukunft nach Wickrath oder auf die Stoffmärkte in Kerkrade, Roermond oder Hückelhoven gehen. Hier hat ein Einzelhändler gerade 3 Kunden verloren. Ach ja was sagt eigentlich die Gewerbeaufsicht zu solch zugestellten Ladenlokalen ohne Fluchtmöglichkeit, wenn nur ein einziger Rollstuhl, Kinderwagen oder Rollator im Raum ist?
3 Gedanken zu „Mein Erlebnis beim Stoffkauf“
Sieh es doch mal so:
Ihr habt noch Stoffläden in der Gegend. Offensichtlich sogar mehrere von verschiedenen Betreibern! Ich fahre 40 km zum nächsten Handarbeitsgeschäft, das auf 20 m² „lebt“…
Liebe Grüße, M.
Die Verwendung des Plurals ist relativ. Deine angegebenen Entfernungen zur wirklich brauchbaren Läden und den nur alle paar Monate stattfindenden Stoffmärkten kommen mir als persönlicher Fahrdienst nur allzu bekannt vor.
Moin,
das tut mir echt leid für Euch. Solche Erfahrungen macht man leider immer wieder.
Dasselbe Lied singen alle Mütter mit Kinderwagen. Damals als junge Mami habe ich auch genau aus dem Grund
angefangen alles im Internet oder aus Katalogen zu bestellen (das gab’s „damals“ noch).
Geärgert hat es mich aber auch immer wieder. Selbst wenn der Laden es nicht hergibt, Platz für außergewöhnlich Kunden zu machen, sollten die Mitarbeiter wenigstens in der Lage sein, dieses Defizit mit Charme und Service wettzumachen.
Seht’s positiv: Es gibt das Internet!
Viele Grüße aus dem eisigen Norden!
AC